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Frauengesundheit - Einführung des nicht-invasiven Pränataltests (NIPT)

Presseberichte im Rahmen der Debatte zu Bluttests auf Trisomien

Arne Frankenstein im Studio von buten un binnen
Foto: LBB

Wir haben es geschafft - Bundesrat stimmt Bremer Entschließungsantrag zu

Bundesratsgebäude
Foto: Bundesrat / Christian v. Steffelin

Als Initiatoren des Antrags haben wir uns gemeinsam mit der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten gefreut, dass unsere Arbeit der vergangenen anderthalb Jahre zum Erfolg geführt hat. Der Bundesrat hat Mitte Juni 2023 den Bremer Antrag beschlossen und die Bundesregierung aufgefordert, ein Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen des Beschlusses der Kassenzulassung von nicht-invasiven Pränataltests zu implementieren. Drucksache Bundesrat

Was denken die Menschen über den nicht-invasiven Pränataltest?

Wir haben acht Personen befragt und im Rahmen einer Social Media Kampagne auf Twitter und Facebook haben wir ihre Meinungen geteilt.

Meinungen zur bremischen Bundesrats-Initiative zum NIPT

Verantwortungsvoll und gemeinsam eine Grundlage für eine sachgerechte, ethisch verantwortliche und rechtssichere Anwendung von nicht-invasiven Pränataltests schaffen

Mitschnitt aus der Bremischen Bürgerschaft Top 32 der 45. Landtagssitzung der Bremischen Bürgerschaft vom 22.03.2023.

Nicht-invasiven Pränataltest (Bluttest) - Antrag der Fraktionen der SPD, DIE LINKE, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der FDP

Laborröhrchen mit Blut und der Aufschrift NIPT Test
Foto: © jarun011 – stock.adobe.com

Einstimmig hat die Bremischen Bürgerschaft am 22. März 2023 den Antrag
"Verantwortungsvoll und gemeinsam eine Grundlage für eine sachgerechte, ethisch verantwortliche und rechtssichere Anwendung von nicht-invasiven Pränataltests schaffen"
verabschiedet. Hier können Sie den Antrag in herkömmlicher Sprache sowie in verständlicher Sprache (pdf, 142.4 KB) aufrufen. Der Beschluss der Bremischen Bürgerschaft fordert den Senat auf eine Bundesratsinitiative zu starten. Kernforderung der Bremer Bundesratsinitiative soll sein:

  • Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen des Beschlusses der Kassenzulassung von nicht-invasiven Pränataltests
  • Einrichtung eines interdisziplinären Expert:innengremiums, das die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung des NIPT zu prüfen hat

Statement des Landesbehindertenbeauftragten, Arne Frankenstein

"Ich habe bereits im Juni 2022 am Ende unserer Veranstaltung "Hauptsache das Kind ist gesund" angeregt, das Thema auf die bundespolitische Agenda zu setzen. Es ist so wesentlich, dass sich der Gesetzgeber damit beschäftigen muss. Heute ist klarer denn je, dass wir Regelungen für einen rechtlich abgesicherten und ethisch vertretbaren Umgang mit dem Test dringend benötigen. Das zeigen auch erste Erkenntnisse aus der Praxis in Bremen seit Einführung der Kassenleistung. Der Weg, nun erst einmal den Stand zu evaluieren und dann umfassend interdisziplinär und unter Beteiligung behinderter Menschen Lösungen zu finden, erachte ich für richtig.
Nach meinem Kenntnisstand gibt es vergleichbare Initiativen in keinem anderen Bundesland, weshalb ich es persönlich, auch angesichts des aktuellen Wahlkampfs in Bremen, für ein starkes Zeichen halte, sich fraktionsübergreifend hierzu verständigt zu haben. Ich danke den Fraktionen der Bürgerschaft für dieses starke Zeichen, sich komplexen Fragen anzunehmen und sie demokratisch zu bearbeiten. Gleichzeitig ist dies aber auch erst der Anfang für eine Debatte, die schwierig bleibt und bei der wir den Auftrag, eine inklusive Gesellschaft zu werden, nicht aus dem Blick verlieren dürfen. Menschen mit Behinderungen dürfen unter keinen Umständen an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Wir müssen eine inklusive Gesellschaft werden."

Austausch mit den Fraktionen der Bürgerschaft zum nicht-invasiven Pränataltest (Bluttest)

Arne Frankenstein vor der Präsentation Vorstellung der aktuellen Debatte zum NIPT
Foto LBB

Gemeinsam mit der Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) lud Arne Frankenstein Ende Dezember die Fraktionen der Bremischen Bürgerschaft zu einem fachpolitischen Austausch zu nicht-invasive Pränataltests, kurz NIPT. Seit Juli 2022 kann der NIPT über die Krankenkasse abgerechnet werden. Mit ihm kann mittels Blutprobe das Risiko für Chromosomenabweichungen bereits früh in der Schwangerschaft festgestellt werden. Aus Sicht von Arne Frankenstein und der Landesfrauenbeauftragten Bettina Wilhelm müssen die Konsequenzen der Zulassung untersucht werden. Eine Aufforderung der Bundesregierung zur Evaluierung könnte durch den Bundesrat erfolgen. Wir danken Taleo Stüwe für den Vortrag und den Fraktionen für ihre Zeit.

Austausch mit Schüler:innen des Gymnasiums Ulricianum

Blick in die Runde der Schüler:innen.
Foto: LBB

Mit der Zentralstelle der Frauenbeauftragten hat sich der Landesbehindertenbeauftragte Ende 2022 mit 60 Schüler:innen des Gymnasiums Ulricianum aus Aurich zur Lebenssituation behinderter Menschen im Kontext der Möglichkeiten der Pränataldiagnostik ausgetauscht. Eingangs hat Amelie Gerdes den Jugendlichen von ihrem Werdegang berichtet. Aktuell studiert Amelie an der Hochschule in Ottersberg. Eine Einordnung der Diskussion zum NIPT erfolgte anschließend durch Mo Urban.
Fazit Lebendige Unterhaltung mit vielen Fragen - wir freuen uns auf den kommenden Austausch mit Schüler:innen (ab Klasse 10). Anfragen über die Geschäftsstelle

Veranstaltungsrückblick: "Hauptsache das Kind ist gesund?" Debatte zur Einführung des nicht-invasiven Pränataltests als Kassenleistung

Der Bauch einer schwangeren Frau mit dem Stempel Hauptsache das Kind ist gesund?

Großes Interesse an rechtlicher, ethischer und frauenpolitischer Debatte zur Pränataldiagnostik

Seit Juli 2022 kann der nicht-invasiven Pränataltests, kurz NIPT, über die Krankenkasse abgerechnet werden. Dazu gibt es Gesprächsbedarf! Das zeigte sich bei der Informationsveranstaltung „Hauptsache das Kind ist gesund?“ am 29. Juni 2022, zu der das Büro des Landesbehindertenbeauftragten und die Zentralstelle der Landesfrauenbeauftragten (ZGF) in die Bürgerschaft eingeladen hatten. Die 130 Plätze für die dreistündige Veranstaltung waren bereits im Vorfeld ausgebucht.

Im ersten Teil der Veranstaltung boten die Referentinnen Luisa Hilbrand (Universität Bremen), Dr. Marina Mohr (CARA – Beratungsstelle zu Schwangerschaft und Pränataldiagnostik) sowie Prof. Dr. Swantje Köbsell (Disability Studies, Universität Bremen) einen fachlichen Input zur Einordnung des NIP-Tests, der Hinweise zu bestimmten Trisomien, darunter auch das Down Syndrom (Trisomie 21), liefern kann. Sie stellten zudem Bedarfe in der Beratung dar und skizzierten die sozial-ethische Debatte um die Pränataldiagnostik, insbesondere den NIP-Test.

In der sich anschließenden Diskussion brachte das Publikum viele unterschiedliche Positionen ein. So lieferten Vertreter*innen aus den Berufsgruppen Geburtshilfe, Frauengesundheit und Pränatalmedizin genauso wie Aktivist*innen der Behindertenbewegung und Eltern von Kindern mit Trisomie 21 wichtige und engagierte Beiträge aus ihrer jeweiligen Perspektive. Weitgehende Einigkeit bestand darin, dass mit der Kassenzulassung des NIPT neue Handlungsbedarfe entstehen, die gesellschaftlich und politisch dringend thematisiert werden müssen.

Auswirkungen auf die individuelle Schwangerschaftsvorsorge

Die Kassenzulassung des Nicht-invasiver Pränataltests (NIPT) verändert die Versorgung von Schwangeren bereits in den ersten Wochen der Schwangerschaft. Die Kostenübernahme des Bluttests ist nicht an eine medizinische Indikation, wie beispielsweise ein fortgeschrittenes Alter der Schwangeren, gebunden. Das kritisierte bei der Veranstaltung auch der Berufsverband der niedergelassenen Pränatalmediziner e.V. (BVNP). Entscheidend seien vielmehr die individuellen Bedarfe beziehungsweise Befürchtungen der Schwangeren. Nach Einschätzung der ZGF und des Landesbehindertenbeauftragten geraten Schwangere somit in Zugzwang. Eine Entscheidung gegen den Test könnte im Falle der Geburt eines Kindes mit Trisomie 21 zu dem Vorwurf führen: „Hätte das nicht vermieden werden können?!“.
Doch auch die Entscheidung für einen Test bringt Schwangere in ein Dilemma. Bekommen sie ein positives Ergebnis, steht ihnen eine weitere Entscheidung bevor. Denn, gerade bei jüngeren Frauen, ist der NIPT nicht verlässlich. Darauf wies Luisa Hilbrand von der Universität Bremen anschaulich in ihrem Vortrag hin. Es sollte sich daher dringend eine weitere Abklärungsuntersuchung, mit einer invasiven Methode, anschließen. Dabei besteht allerdings das Risiko einer Fehlgeburt. Zudem liegen die Testergebnisse hierfür erst ab der 14. bis 16. Schwangerschaftswoche vor. Dr. Marina Mohr von der Beratungsstelle CARA berichtete von dieser Zeit als eine Zeit, die für Schwangere und ihre Familien von Stress, Zweifeln und auch von Konflikten geprägt sei.
Doch auch die Fachkräfte der Geburtshilfe, Frauengesundheit und Pränatalmedizin stehen vor neuen Herausforderungen. So merkten Gynäkolog*innen an, dass sie in einem größeren Umfang zu den Tests beraten werden müssen, da die Nachfrage steigen werde. Das zeigen auch die Zahlen in einigen Nachbarländern, in denen der NIPT bereits als Kassenleistung angeboten wird. Pränatalmedizin*innen äußerten bei der Veranstaltung ihre Befürchtung, dass Beratungen und Abtreibungen zunehmen werden. Auch Beratungsstellen rechnen mit einer höheren Nachfrage, obwohl sie diese bereits heute kaum bedienen können.

Auswirkungen auf unsere Gesellschaft

Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter von Bremen und Prof. Dr. Swantje Köbsell von der Universität Bremen erklärten eindrücklich, wie die Kassenzulassung des NIPT die gesellschaftliche Wahrnehmung von Behinderung dahingehend verfestigt, dass Behinderung ein vermeidbares Risiko sei. Dass nun eine systematische Selektion behinderten Lebens erfolge, bezahlt von der Krankenkasse, sei hochgradig problematisch und verkenne das menschenrechtliche Modell von Behinderung, das durch die UN-Behindertenrechtskonvention auch rechtsverbindlich festgeschrieben sei. Das Recht auf gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von behinderten Menschen gerate nicht nur unter Druck. Seine Umsetzung sei auch gleichermaßen Voraussetzung dafür, dass Eltern mit behinderten Kindern und behinderte Menschen insgesamt gesellschaftlich gut leben könnten. Eine gezielte Selektion gefährde schließlich auch langfristig die Angebote und Lebensbedingungen von behinderten Menschen. So wurde beispielsweise in Dänemark das Versorgungsangebot seit der Kassenzulassung des NIPT zurückgefahren, da nur noch wenige Kinder mit dem Down-Syndrom geboren werden.

Handlungsbedarfe

Für das Büro des Landesbehindertenbeauftragten und die ZGF ergeben sich aus der Debatte um die Kassenzulassung des NIP-Test folgende Forderungen:

  • Es braucht gesetzliche Regelungen zur Durchführung nichtinvasiver Pränataltests. Der Landesbehindertenbeauftragte wird die Bremische Bürgerschaft und den Senat daher auffordern, hier auf Bundesebene tätig zu werden.
  • Es muss ein abgestimmtes Verfahren zwischen Gynäkolog*innen, Pränatalmediziner*innen und Hebammen und deren Berufsverbänden geben, um zu verhindern, dass der NIPT zu einer Reihentestung wird.
  • Bisher gibt es keine Leitlinie für die Beratung der Gynäkolog*innen zum NIP-Test. Die Fachverbände sollten hier nachsteuern und in Zusammenarbeit mit betroffenen Familien sowie mit Verbänden von behinderten Menschen eine Leitlinie entwickeln.
  • Die Ärztekammer muss nachsteuern und in der gynäkologischen Fachfortbildung die Vermittlung von Beratungskompetenzen verpflichtend verankern. Denn eine wertneutrale, ergebnisoffene Beratung ist die Voraussetzung für eine gute Schwangerschaftsvorsorge.
  • Schwangere und Familien müssen die Möglichkeit haben, sich selbstbestimmt für ein Kind mit Behinderung zu entscheidend. Es bedarf daher dringend der Weiterentwicklung einer inklusiven Gesellschaft, die den systematischen Abbau von Barrieren erfordert.

Werbematerialien

Folgende Materialien wurden genutzt, um auf die Veranstaltung hinzuweisen:

16:30 Uhr Ankommen

17:00 Uhr Begrüßung
Bettina Wilhelm, Landesbeauftragte für Frauen
Arne Frankenstein, Landesbehindertenbeauftragter

17:20 Uhr Einführung in den NIPT und Pränataldiagnostik
Luisa Hilbrand, Universität Bremen

17:50 Uhr Berichte aus der Beratungspraxis
Dr. Marina Mohr, Cara – Beratungsstelle zu Schwangerschaft und Pränataldiagnostik

18:20 Uhr Perspektiven der Disability Studies
Prof. Dr. Swantje Köbsell, Universität Bremen

19:00 Uhr Publikumsdiskussion

19:45 Uhr Was folgt aus der Veranstaltung?
Bettina Wilhelm & Arne Frankenstein

"Hauptsache das Kind ist gesund." Diesen Standardsatz hören wohl die meisten werdenden Eltern. Ein Verfahren, um das Risiko für Chromosomenabweichungen bereits früh in der Schwangerschaft zu erheben, ist der sogenannte NIPT, der nicht-invasive Pränataltest. Es handelt sich um einen Bluttest, durch den Schwangere einen Hinweis darauf erhalten sollen, ob ihr zukünftiges Kind ein Risiko trägt, bspw. Trisomie 21 zu haben. Dieser Test soll, nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) Kassenleistung werden.
An dieser Kassenzulassung wird vielfach Kritik erhoben. Von medizinischer Seite, wie dem Berufsverband niedergelassener Pränatalmediziner e.V., wird eingebracht, dass es keine klare medizinische Indikation für den Test gibt. Vielmehr soll die individuelle Situation der Schwangeren entscheidend sein. Die Expert*innen befürchten deshalb, dass dadurch die Untersuchung so häufig angewandt werden könnte, dass sie einer Reihenuntersuchung gleichkommt. Das Bündnis #NONIPT weist daraufhin, dass die Aussagekraft des Tests gering ist und die Schwächen des Tests nicht bekannt sind. Außerdem sind die Versicherteninformationen nicht neutral formuliert und das Ziel, einen Großteil der invasiven Untersuchungen in der Schwangerschaft zu verhindern, kann nicht durch den NIPT erreicht werden. Vielmehr unterstütze der NIPT nicht die Selbstbestimmung der Schwangeren. Diese erhalten vielmehr durch die Zulassung des Tests den Hinweis, dass eine vorgeburtliche Selektion aufgrund einer Behinderung gesellschaftlich erwünscht sei. Und damit kann auch eine begleitende psychosoziale Beratung nicht jene fatale Botschaft „wegaufklären“, dass Kinder mit Trisomie vermieden werden könnten.